Althan Quartier Francis

AQ1

Neues Leben am Franz-Josefs-Bahnhof

Josef Weichenberger Architects (JWA) und Delugan Meissl Associated Architects (DMAA) transformierten den Kopfbahnhof und das darüberliegende Bürogebäude unter dem Namen Francis von einer unwegsamen Barriere inmitten des Bezirks zu einem transparent durchlässigen Herzstück des neuen Althan Quartiers.

Ausschlaggebend für die Entscheidung zur Konversion, also zu Rückbau, Neuentwicklung und Aufstockung, war die signifikante Auswirkung auf die Ökobilanz des Projektes. Somit konnten erhebliche Mengen CO2 eingespart werden.

Von der Grätzeltrennung zur (Durch)Lässigkeit

Mit Francis und dem Althan Quartier rund um den Franz-Josefs-Bahnhof etabliert sich im neunten Wiener Gemeindebezirk ein neues Stadtquartier, das verbindet.
Neue Durchwegungen bilden eine Brücke zwischen den Stadtteilen Spittelau und Lichtental, die durch die Gleisanordnung des Kopfbahnhofs und das bisher unzugängliche ehemalige Bank-Austria-Gebäude lange getrennt waren. Das 2,4 Hektar große Areal des Althan Quartiers dient nun als zentrales verbindendes Element im Bezirk. Somit ist ein Hauptziel des Umbaus erreicht: der Stadtteil erhält mehr Aufenthalts- und somit Lebensqualität.

Konversion oder die Schönheit der Chance

Das Projekt verdeutlicht, welches Potenzial für Städtebau und Umwelt in der Transformation bestehender Gebäude steckt. Insbesondere in Zeiten von Flächen- und Ressourcenknappheit ist die Erhaltung und Weiterentwicklung wertvoller Bestandsstrukturen lohnenswert.

Da ein Großteil der sogenannten grauen Emissionen im Tragwerk aus Stahl und Beton gebunden ist, bedeutet Konversion im Fall von Francis enorme ökologische Vorteile: statt 27.595 Tonnen CO2 für Abriss und Neubau, liegt der Wert für den Umbau bei 8.970 Tonnen CO2  – eine Einsparung von 67 Prozent.
Laut dem Ergebnis einer Studie des Nachhaltigkeitsexperten, Architekten und Bauingenieurs Werner Sobek wurden 122.480 Tonnen Beton und 10.944 Tonnen Stahl eingespart, was angesichts der Rohstoffverknappung und des Klimawandels wegweisend ist.

Zudem konnte während des Umbaus die Lebensqualität der AnwohnerInnen erhalten werden – geschätzte 10.000 LKW-Fahrten sind durch den Verzicht auf einen Abriss und Neubau entfallen. Notwenige Demontagearbeiten, Abtransporte und Recycling wurden über das Innere des Gebäudes und den unterirdischen Ladehof abgewickelt, wodurch Staub, Lärm und Baustellenverkehr minimiert wurden.

Details

Kategorien

Arbeiten, Gastronomie, Infrastruktur,
Konversion, Städtebau

Fertigstellung

Ende 2024

Adresse

Julius-Tandler-Platz
1090 Wien, Österreich

Planungsbeginn

2016

Baubeginn

Frühjahr 2022

Gebäude

Höhe: 45 m
Geschoßanzahl: 11
Untergeschoße: 2

Nutzfläche gesamt

ca. 60.000 m²

Bruttogeschossfläche

ca. 70.000 m² oberirdisch
ca. 11.000 m² unterirdisch

Bestandsgebäude vor Umbau
Francis kurz vor Fertigstellung 2024

8.970 statt 27.595 Tonnen CO²

Durch den Ansatz, Bestehendes zu erhalten und zu konvertieren, konnten beim Bau von Francis 18.625 Tonnen CO² eingespart werden – das sind 67 Prozent weniger CO²-Emissionen, als bei einem Abriss und Neubau freigesetzt worden wären.

Um einen Effekt in ähnlicher Größenordnung zu erzielen, müssten 12.000 Autos ein Jahr lang in der Garage bleiben – oder 500.000 Buchen ein Jahr lang CO² binden. Dazu müssten 1.250 Hektar Buchenwald aufgeforstet werden – das wiederum entspricht einem Siebtel des gesamten Wiener Stadtwalds.

»Wertvolle Bausubstanzen dort, wo es möglich ist, zu bewahren, ist das Gebot der Stunde. In den allermeisten Fällen ist das grüner als neu zu bauen.«

Josef Weichenberger

Althan Quartier: Bestehendes Gebäude vor dem Umbau
Architekt Karl Schwanzer
Baustelle 02/2021
© Eristalis Holding GmbH
Baustelle 02/2021
© Eristalis Holding GmbH
Baustelle 2021
© JWA

Studium und Analyse des Bestandes

Vor der Neuplanung stand ein umfangreiches Lesen und Verstehen des Bestandsgebäudes aus den 1970er Jahren. Anhand historischer Pläne und Dokumente hat die ARGE AQ-Arch, bestehend aus DMAA und JWA, die Grundideen des Ursprungsarchitekten Karl Schwanzer analysiert und internalisiert, um eine grundlegende Entscheidung zwischen Abriss und Konversion zu treffen.

Mithilfe von BIM (Building Information Modeling) wurde ein digitaler Zwilling des Bestandsgebäudes erstellt, welcher umfassende Studien zu Betonkubatur und den Konsequenzen möglicher Adaptionen ermöglichte. Das Potenzial des Altbestandes mit seiner für die 70er Jahre außergewöhnlichen ökonomisch optimierten Stahlbetonstruktur wurde gründlich auf Statik, Lärm- und Brandschutz sowie bauphysikalische Eignung geprüft.

Charakteristika des Bestandsgebäudes in seiner Funktion als Zentrale der Bank Austria waren die verspiegelte Fassade sowie eine markante, raumgreifende, jedoch wenig genutzte Treppe. Die Spiegelfassade verstärkte die Hermetik des Gebäudes, die monumentale Geste der Außentreppe dominierte die Fläche des Julius-Tandler-Platzes. Durch den Umbau konnten diese nicht zeitgemäßen Stilelemente aufgelöst werden.

Visualisierung © Woow Studio

Entwicklung des Neuen

Ein Hauptaugenmerk im Planungsprozess lag auf einer neu zu schaffenden Öffnung zur Nachbarschaft: entstehen sollten neue urbane Plätze zum Aufenthalt, halböffentliche Räume, barrierefreie Zugänge sowie Gastronomie mit Freiflächen. Die Dimensionen und Substanz des Bürogebäudes blieben erhalten, jedoch wurden neue Freiflächen geschaffen, was den Julius-Tandler-Platz mit einer neuen Optik und verstärkten Zugänglichkeit deutlich attraktiver werden lässt.

Neun Meter über Straßen-Niveau und über den Gleisen des Bahntunnels gelegen, verknüpft die neue Plaza-Ebene im Innenhof die wertvollen Freiräume Spittelauer Platz, Lichtentaler Platz und Julius-Tandler-Platz. Entscheidende Prämissen der Projektentwicklung bedingten die fußläufige Durchlässigkeit, die Öffnung zum Julius-Tandler-Platz, einen möglichst breiten Nutzungsmix, die obligatorische Nachverdichtung einer städtischen Kernzone sowie die harmonische Eingliederung in den städtischen Raum.

»Für Francis denken wir die offene Ausformulierung des Gebäudes von Karl Schwanzer weiter. So schaffen wir Transparenz und neue Identifikationsorte für den Bezirk.«

Friedrich Hähle, Projektleiter

Projektteam

Friedrich Hähle (Projektleitung), Robert Huebser, Maria Nardelli, Giacomo Rocco, Stefan Schubert, Mark Steinmetz, Joscha Viertauer

In Kooperation mit

Delugan Meissl Associated Architects (DMAA)
als ARGE AQ-Arch

Projektwebseite

francis.at

Eigentümer

Eristalis Holding GmbH

Visualisierung

Outline Pictures / WOOW Studio
(Luftaufnahmen)

Fotografen

Christian Pichlkastner,
Gebhard Sengmüller

Neue Offenheit

Die Gebäudefassade wurde von ihrer Verspiegelung befreit. Die neue Edelstahlverkleidung der Fassade wirkt aufgrund ihrer feinen Prägung blendfrei und seidenmatt, Terrassen schaffen zusätzliche Freiflächen für Gastronomie und Büros und den Gegenentwurf zur früheren Abgeschlossenheit des Gebäudes.

Ein weiterer Planungsschwerpunkt lag auf der Gestaltung einer belebten Sockelzone. Die weitgehende Öffnung des Sockels erreicht den gewünschten räumlichen Bezug zum Julius-Tandler-Platz, die Attraktivierung der Bahnhofshalle, sowie eine einladende Anbindung der zentralen Plaza-Ebene. Auf der nördlichen Rückseite des Gebäudes wurde ein Verbindungsbau aus den 70er Jahren zwischen Bürokomplex und Garage entfernt, um zur Ursprungsidee von Karl Schwanzer, dem kubischen Solitärbau, zurückzukehren.

Die Nachverdichtung erfolgte mittels einer zweigeschossi­gen Aufstockung, die der Kontur des Baukörpers folgend zurückgestaffelt wurde und sich somit beinahe unmerk­lich in die Physiognomie des bestehen­den Baukörpers einfügt.

Die acht Bürogeschosse mit ihren großzügigen Außenflächen bieten etwa 40.000 m² Nutzfläche und blicken auf die benachbarten Palais, den Liechtensteinpark und über die Innenstadt bis hin zum Stephansdom. Die optimale Anbindung an das Nah- und Fernverkehrsnetz durch die Erreichbarkeit aller wichtigen öffentlichen Verkehrsmittel binnen weniger Minuten ist zukunftsweisend. Ebenso ideal ist der Anschluss an das nahe Fahrradverkehrsnetz am Donaukanal. Im ersten Obergeschoss von Francis stehen gesicherte Fahrradabstellplätze zur Verfügung. Die Intelligenz des Gebäudes zeigt sich auch in der Ver- und Entsorgung: diese erfolgt über den unterirdischen Ladehof und beschränkt somit den oberirdischen Lieferverkehr auf ein Minimum.

Bestand mit Potenzial

Das Konversionsprojekt profitiert von der intelligenten Ökonomie der baulichen Struktur des Bestandsgebäudes in Skelettbauweise. Stützenabstände von 10 Metern und die herausnehmbare Fertigteildecke ermöglichten größtmögliche Flexibilität für die Gestaltung des Umbaus. Attraktive Raumhöhen von bis zu 3,5 Metern, wie sie bei Neubauten selten realisiert werden, sorgen für Flair und Helligkeit.

Urbane Transformation

Die umfassende Anpassung an heutige Sicherheitsstandards, Sicherheitstechnik, Bauphysik, Statik und Erdbebenertüchtigung, sowie die Erreichung der Gold-Zertifizierung der ÖGNI (Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) durch hohe ökologische Baumaterialstandards unterstreichen die Bedeutung dieses Projekts als Vorbild für zukünftige urbane Transformationen. Das Konversionsprojekt Francis zeigt somit die intelligente Nutzung bestehender baulicher Strukturen und setzt neue Maßstäbe in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit und städtebauliche Integration.

Kunst am Bau: Moko Jumbie 
© Steinbrener/Dempf & Huber

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